Ingeborg Bachmann Anrufung des großen Bären Lieder von einer Insel читать дальшеSchattenfrüchte fallen von den Wänden, Mondlicht tüncht das Haus, und Asche erkalteter Krater trägt der Meerwind herein.
In den Umarmungen schöner Knaben schlafen die Küsten, dein Fleisch besinnt sich auf meins, es war mir schon zugetan, als sich die Schiffe vom Land lösten und Kreuze mit unsrer sterblichen Last Mastendienst taten.
Nun sind die Richtstätten leer, sie suchen und finden uns nicht. ___________
Wenn du auferstehst, wenn ich aufersteh, ist kein Stein vor dem Tor, liegt kein Boot auf dem Meer.
Morgen rollen die Fässer sonntäglichen Wellen entgegen, wir kommen auf gesalbten Sohlen zum Strand, waschen die Trauben und stampfen die Ernte zu Wein, morgen am Strand.
Wenn du auferstehst, wenn ich aufersteh, hängt der Henker am Tor, sinkt der Hammer ins Meer. ___________
Einmal muss das Fest ja kommen! Heiliger Antonius, der du gelitten hast, heiliger Leonhard, der du gelitten hast, heiliger Vitus, der du gelitten hast.
Platz unsren Bitten, Platz den Betern, Platz der Musik und der Freude! Wir haben Einfalt gelernt, wir singen im Chor der Zikaden, wir essen und trinken, die mageren Katzen streichen um unseren Tisch, bis die Abendmesse beginnt, halt ich dich an der Hand mit den Augen, und ein ruhiges mutiges Herz opfert dir seine Wünsche.
Honig und Nüsse den Kindern, volle Netze den Fischern, Fruchtbarkeit den Gärten, Mond dem Vulkan, Mond dem Vulkan!
Unsre Funken setzten über die Grenzen, über die Nacht schlugen Raketen ein Rad, auf dunklen Flößen entfernt sich die Prozession und räumt der Vorwelt die Zeit ein, den schleichenden Echsen, der schlemmenden Pflanze, dem fiebernden Fisch, den Orgien des Winds und der Lust des Bergs, wo ein frommer Stern sich verirrt, ihm auf die Brust schlägt und zerstäubt.
Jetzt seid standhaft, törichte Heilige, sagt dem Festland, dass die Krater nicht ruhn! Heiliger Rochus, der du gelitten hast, o der du gelitten hast, heiliger Franz. ___________
Wenn einer fortgeht, muss er den Hut mit den Muscheln, die er sommerüber gesammelt hat, ins Meer werfen und fahren mit wehendem Haar, er muss den Tisch, den er seiner Liebe deckte, ins Meer stürzen, er muss den Rest des Weins, der im Glas blieb, ins Meer schütten, er muss den Fischen sein Brot geben und einen Tropfen Blut ins Meer mischen, er muss sein Messer gut in die Wellen treiben und seinen Schuh versenken, Herz, Anker und Kreuz, und fahren mit wehendem Haar! Dann wird er wiederkommen. Wann? Frag nicht. ___________
Es ist Feuer unter der Erde, und das Feuer ist rein.
Es ist Feuer unter der Erde und flüssiger Stein.
Es ist ein Strom unter der Erde, der strömt in uns ein.
Es ist ein Strom unter der Erde, der sengt das Gebein.
Es kommt ein großes Feuer, es kommt ein Strom über die Erde.
Wir werden Zeugen sein.
Ingeborg Bachmann The Collected Poems Invocation of the Great Bear Songs from an Island Ripe shadows cascade from the walls, moonlight whitewashes the house, and ashes from the cold crater drift in the sea breeze.
The coast sleeps in the embrace of beautiful boys; your flesh considers mine, still as fond of me as when the ships broke loose from land, and the crosses hung with our mortal weight kept watch from the masts.
Now the gallows are empty, they search but find us gone. ___________
When you rise again, When I rise again, no stone is before the gate, no boat lies on the sea.
Tomorrow the barrels will roll towards the Sunday waves. We will walk the sand on anointed soles, washing the grapes and stomping the harvest to wine, tomorrow on the beach.
When you rise again, When I rise again, the hangman hangs on the gate, the hammer sinks in the sea. ___________ читать дальше And yet the feast must come! Saint Antonius, you who have suffered, Saint Leonhard, you who have suffered, Saint Vitus, you who have suffered.
Make ways for our pleas, make way for the worshipers, Make way for music and joy! We have learned a simpleness, we sing in chorus of cicadas, we eat and drink, while lean cats rub against our table until the evening mass begins, and U hold your hand with my eyes and a quiet, courageous heart offers you up its wishes.
Give honey and nits to the children, full nets to the fishermen, fruitfulness to the gardens, and a moon to the volcano! a moon to the volcano!
Our sparks crossed the borders, above the night the rockets wheeled, on dark rafts the procession withdraws and yields time to the prehistoric world, to the creeping lizards, gluttonous plants, feverish fish, the wind's orgies and the mountain's pleasure, where a pious star strays and falls, exploding upon the crest.
Now be steadfast, foolish saints, tell the coast the craters are not resting! Saint Rochus, you who have suffered, O you who have suffered, Saint Franz. ___________
When one goes away, he must fling his hat of mussels gathered over the summer into the sea and sail with windblown hair. He must plunge the table set for his love into the sea. He must pour the last of the wine left in the glass into the sea. He must feed the fish his bread and mix a drop of blood into the sea. He must throw his knife to the waves and toss away his shoes, heart, anchor, and cross, and sail with windblown hair. Only then will he return. When? Don't ask ___________
There's a fire under the earth and the fire burns clean.
There's a fire under the earth and a molten stream.
There's a stream under the earth and we feel it in our souls.
There's a stream under the earth and it singes our bones.
There will be a great fire. There will be a great flood.
We shall witness each.
transl. by Peter Filkins
Hans Werner Henze: Lieder von einer Insel, for chamber choir & ensemble (1964)